"Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war Zuhören. Das ist doch nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie ihn ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder und entschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder, dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt, und er ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören!" (aus Michael Ende: »Momo« Stuttgart, 1973)
MOMO - the voice of disconnected youth ist eine Gemeinschaft von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die aktuell oder in der Vergangenheit von Obdachlosigkeit betroffen sind oder waren. Sie haben auf eine besondere Art ihre Autonomieentwicklung erlebt und haben Ohnmacht aushalten müssen. Durch die Höhen und Tiefen ihrer individuellen Lebenswege und Bewältigungsstrategien können und wollen sie ihre Erfahrungen der Öffentlichkeit zugänglich machen. So möchten sie sowohl Betroffenen entgegengehen als auch Fachpersonal mit ihrer besonderen Lebenserfahrung einen hilfreichen Orientierungspunkt anbieten. Unterstützt werden sie von Berater*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen, die sie auf ihrem Weg begleiten und aushalten wollen. Was uns vereint ist das Bestreben, eine laute, fordernde, mitfühlende, aufklärende und akzeptierenden Stimme in der Öffentlichkeit zu sein. Das Wissen über komplexe Traumatisierung, deren Folgen und die Möglichkeiten und Chancen im Umgang mit dem schonungslosen Thema der Obdachlosigkeit erleichtert und verdeutlicht die Arbeit auf beiden Seiten. Das Verstehen der Bedingungen eines traumatisch beeinflussten Lebenswegs beeinflusst auch den Umgang der Menschen miteinander. Auf der Seite der Betroffenen und auf der Seite der Helfenden.
Die Arbeit in den Büros sorgt für Hilfe zur Selbsthilfe, schafft eine Beschäftigungsmöglichkeit für Jugendliche, die auf dem gemeinen Arbeitsmarkt eher schlechte Chancen haben und hilft bei dem Erlernen von Struktur, Selbstwirksamkeit und Verantwortungsbewusstsein. Deutschlandweit gibt es wohnungslose Jugendliche somit also auch unterschiedliche Problemlagen, Angebote und Handlungsstrategien. Daher ist nicht zwangsläufig der Ort ausschlaggebend, sondern vielmehr das Bewusstsein für die Lebensrealität dieser Jugendlichen. Man muss die Aufmerksamkeit Jugendlichen und auch die der Fachwelt in verschieden Bereichen gewinnen und für ihre Anforderungen sensibilisieren. Wichtig ist ein aufrichtiges Interesse daran, die Jugendlichen mit ihren Wünschen und Forderungen ernst zu nehmen und zu verstehen. Es geht um die Bereitschaft, sie auf ihrem Weg zu begleiten, ohne die eigene Existenz über die Lebensgeschichten der Jugendlichen zu profilieren. Es braucht viel Zeit und Geduld Identität zu hinterfragen und wachsen zu lassen, Aufgaben und Verantwortung zu definieren und Raum, um sich ohne äußeren Druck entwickeln zu können. Es soll immer um das Herzstück dieser Arbeit gehen: aufrichtige Partizipation auf beiden Seiten unter Berücksichtigung des Bedürfnisses nach Autonomie einer jeden Persönlichkeit. Menschen, die die Jugendlichen in ihrer Realität hören, sehen und verstehen wollen, um sie auf ihren Wegen zu begleiten. Was man braucht sind Überzeugung und Ausdauer auf Seiten der verbindlichen, ausgebildeten Verantwortungsträger*innen. Nicht ganz unwichtig ist selbstverständlich die Finanzierung- allerdings schließt sie sich in der Reihenfolge der Überzeugung an. Und überzeugt ist man recht schnell, wenn man sich die Zeit nimmt und sich traut, den MOMOs mit Herz und Verstand zu begegnen. Wir freuen uns sehr über das Vertrauen, die Freiheit und die Zeit, die uns mit dem Büro in Essen geschenkt wird.
Ein Gefühl von Sicherheit kann nur entstehen, wenn es tatsächliche Sicherheit gibt. Durch Vertrauen und Akzeptanz. Weil es, wenn es um die Grundbedürfnisse der Menschen geht, auch immer um ihre Würde geht.